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Ein Tag beim Yukon Arctic Ultra Trail

Der Montane Yukon Arctic Ultra findet im Winter im Nordwesten Kanadas statt und hat sich zu Recht den Ruf als einer der "kältesten Ultraläufe der Welt" erworben. Du willst wissen, was die Teilnehmer dort erwartet? Jessie Gladish, die erneut am Rennen teilnimmt, berichtet von ihren Erfahrungen...

Photos: MarkKellyPhotography.ca 

Wir bei Montane sind bekannt dafür, dass wir herausfordernde Ultraläufe lieben. Zu Beginn der Saison ist der MYAU neben dem Montane Winter Spine Race ein weiterer, sehr beliebter Lauf. Dieses Rennen unterscheidet sich von den anderen von uns gesponserten Rennen nicht nur durch seinen abgelegenen Austragungsort, sondern auch durch die extremen Minustemperaturen, denen die Teilnehmer unterwegs ausgesetzt sind.

Die abgelegene Yukon-Region ist ein echter Test für die körperliche und geistige Ausdauer. Jessie Gladish weiss das nur zu gut. Jessie hat am Yukon Trail bereits fünfmal teilgenommen (dreimal am 430-Meilen-Lauf und zweimal am 300-Meilen-Lauf). Dieses Jahr ist sie wieder beim 430-Meilen-Rennen dabei.

Wer wäre besser geeignet, um über die Herausforderungen von dem Lauf berichten? Hier erfährst du mehr über diesen beeindruckenden Winter-Ultra und darüber, was es braucht, um eine solche Herausforderung zu meistern.

Treffen mit Jessie 

Ich stamme aus Whitehorse im Yukon (dem offiziellen Start des MYAU), ganz oben im Nordwesten Kanadas. In dieser einzigartigen und wilden Landschaft aufzuwachsen, hat definitiv dazu beigetragen, die Basis für meine heutigen Ausdauersportarten zu schaffen, und ermöglicht es mir auf meine Erfahrungen zugreifen zu können, wenn ich unterwegs bin! Ich liebe es einfach, Tag für Tag und Schritt für Schritt vorwärts zu kommen.

Ich fühle mich sehr privilegiert, in einem Umfeld aufgewachsen zu sein, das Unabhängigkeit und Widerstandsfähigkeit fördert und gleichzeitig sicher ist. In unseren vielen abenteuerlichen Familienurlauben (darunter mehrere Kanufahrten auf dem Yukon, die bis zu einer Woche dauerten) brachten mir meine Eltern viele Outdoor-Fähigkeiten bei. Sowohl meine Mutter als auch mein Vater sind leidenschaftlich gerne draußen unterwegs und selbst unglaublich sportlich und haben selbst schon einige beeindruckende Herausforderungen gemeistert.

Auf diesen Ausflügen habe ich gelernt, wie ich Langeweile mit Spielen, Liedern oder Geschichten begegne, wie ich meine Energie immer wieder aufladen kann und mein Zutrauen zu mir selbst stärke, wenn ich eine Zeit lang alleine bin. Ich fühle mich wohl, wenn es unbequem ist. All das habe ich gelernt, bevor der Begriff "Ultramarathon" zu meinem Wortschatz gehörte!

Heute arbeite ich seit 2011 in abgelegenen Gebieten im Yukon als Geologin. Wenn man sich mit Karten, Kompass und GPS auskennt und wochenlang in kleinen Camps auf sich allein gestellt ist, dann ist man wirklich stark genug, um mit allem fertig zu werden, was geschieht. Das verschafft einem das geistige und körperliche Rüstzeug, um weiterzukommen. Ich wäre nicht da, wo ich heute bei Ultra-Events bin, wenn ich nicht auch diese Arbeitserfahrung hätte. Ich kann mich eigentlich an keine Zeit erinnern, in der lange Strecken in der Wildnis nicht zu meinem Leben gehörten.

In meinen Zwanzigern lebte ich in British Columbia, Kanada, und begann dort Halbmarathons und Marathons zu laufen. Trailrunning war in der Stadt, in der ich lebte, sehr beliebt, also fing ich an, nach Trailmarathons Ausschau zu halten und nicht nach Straßenläufen. Mein erster Trailmarathon war in Moab, Utah. 2014 bekam ich mit, dass einige Freunde einen Marathon in Whitehorse liefen - im Februar! Ich hatte keine Ahnung, dass es so etwas gibt. Ich habe mich sofort über das Rennen informiert und festgestellt, dass es den MYAU schon seit über 10 Jahren gibt. Als ich sah, dass es auch eine Variante über 430 Meilen nach Dawson City gab, beschloss ich, daran teilzunehmen. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich schaffte es in 12,5 Tagen und war süchtig nach dem Trail und nach Langstrecken im Allgemeinen.

Beim nächsten Mal lief ich die 300 Meilen zu Fuß (im Team mit einer anderen Frau), die 430 Meilen wieder zu Fuß und auf Skiern, reiste nach Alaska für die ITI 300 Meilen 2018 und habe außerdem eine Reihe von 100 Kilometern, 50 Kilometern, 50 Meilen, 120 Meilen und sogar zwei Jahre hintereinander ein 240-Meilen-Wüstenrennen in Moab absolviert. Dann habe ich mir ein Fatbike zugelegt und letztes Jahr an den 300-Meilenbeim MYAU teilgenommen. Dieses Jahr ist ein großes Jahr für mich mit dem Fahrrad beim 430-Rennen!

Der Reiz des Yukon Arctic Ultra

Jedes Jahr habe ich mir das Yukon Quest Hundeschlittenrennen in Whitehorse angeschaut - wahrscheinlich ist das einer der Hauptgründe, dass ich den MYAU nicht mehr missen möchte. Der Ort, an dem all die Musher mit ihren schönen und starken Huskys unterwegs waren.

Wenn ich zum Yukon zurückkomme, habe ich immer das Gefühl, frei zu sein. Was ich am meisten schätze, ist das Wissen, dass es dort ausgedehnte Wälder, Berge, Seen und Flüsse gibt, in denen Tiere leben, die wir nur selten zu Gesicht bekommen.

Der Reiz des Laufs ist ähnlich. Er ist überwältigend lang, und du gehst durch diese endlosen Baumtunnel, in die kein Sonnenlicht eindringt, und es fühlt sich an, als würde der Wald alles verschlucken. Der Schnee macht auch alles leise. Wir sind laut durch die Geräusche der Ausrüstung, den knirschenden Schritten und unserem Stress, unserem Atem und unseren Flüchen.

Ich liebe es, Momente zu erleben, in denen ich da draußen auch still bin. Wenn du anhältst, ist die Stille da draußen erdrückend. Ich nehme da draußen alles wahr; das liebe ich und deshalb komme ich immer wieder. Hoffentlich gibt es dieses Jahr ein paar gute, klare Nächte für die Sternenbeobachtung.

Am MYAU nehmen auch immer wieder Athleten aus aller Welt mehrmals teil, sogar aus Australien. Ich nehme an, das liegt daran, dass der Yukon etwas ganz Besonderes ist. Es gibt viele coole Rennen auf der ganzen Welt, also sagt es viel aus, wenn man immer wieder zurückkommt und hier Zeit und Geld ausgibt.

Ein Überblick über das Rennen

Dieses Rennen findet in einer abgelegenen und kalten Gegend statt. Es ist ein Rennen mit nur einer Etappe, bei dem die Teilnehmer am Ende Tage voneinander getrennt sein können. Es finden sich jedoch genügend Freiwillige, die bis zu einer Woche in einem Zelt oder einer Hütte an den abgelegenen Kontrollpunkten verbringen, so dass dieses Rennen stattfinden kann. Die Teilnehmer können wählen, ob sie die Strecke (Marathon, 100, 300 oder 430 Meilen) zu Fuß, auf Skiern oder mit einem Fatbike zurücklegen wollen. Jemand hat den Marathon sogar mit seinem Hund absolviert, was ich ziemlich cool finde. Ich würde meinen mitnehmen, aber er würde in der ersten Nacht in der Kälte sterben.

Der Weg führt über breite Flüsse, durch dichte nordische Wälder und über ein paar langgestreckte Seen. Der Höhenunterschied ist nicht so groß, dass man ihn in Zahlen ausdrücken könnte, aber er summiert sich in Form von häufigen sanften Hügeln und mehreren gleichmäßigen langen Anstiegen. Es gibt zwar Bergblicke, aber sie sind weit weg und man sich umdrehen, um sie voll zu genießen, besonders am ersten und zweiten Tag.

Es gibt Kontrollpunkte, die jedoch weit auseinander liegen. Ich würde sagen, dass es etwa alle 24 Stunden einen gibt, je nachdem, wie schnell man unterwegs ist. Letztes Jahr bin ich mit dem Fahrrad gegen 16 oder 17 Uhr von einem Kontrollpunkt losgefahren und kam gut 12 Stunden später am nächsten an. Das ist eine lange Zeit, um allein zu sein, verglichen mit den meisten anderen Ultraläufen, die ich gemacht habe.

Es gibt zwei wichtige Dinge, die einem bei dem Lauf klar sein müssen: die Kälte und die Abgeschiedenheit, dicht gefolgt von der Dunkelheit, denke ich. Die Kälte ist eine sehr reale Gefahr; wir verlieren schnell die Fingerfertigkeit, wenn sie kalt sind, aber wir brauchen sie, um unsere Ausrüstung zu benutzen, um zu essen und zu trinken und um Kleidung an- und auszuziehen. Wenn wir das nicht können, sind Unterkühlung und Erfrierungen (Kälteverletzungen) sehr wahrscheinlich, und dann braucht man Hilfe, um zu einem Kontrollpunkt zu kommen oder sich selbst dorthin durchzuschlagen, was viele Stunden oder sogar Tage dauern kann, je nachdem, wie das Wetter ist und wie schnell jemand unterwegs sein kann.

 

 

Abgeschiedenheit bedeutet, dass Dinge wie eine Rettung länger dauern, was für die Psyche sehr belastend sein kann. Wenn es -40 Grad sind, du aber ein Haus hast, das du jederzeit erreichen kannst, ist alles in Ordnung. Ich wohne zurzeit in Dawson und mir ist schon sehr kalt geworden, wenn ich zum Supermarkt und zurück gelaufen bin oder mit dem Hund spazieren gegangen bin. Das ist aber kein Problem, weil mein sicherer Ort warm ist gut erreichbar ist.

Bei dem Lauf bist du selber dein sicherer Ort, das Biwak ist weder für dich vorbereitet noch aufgewärmt, so dass du hinein springen kannst, wann immer du willst. Du musst ganz allein entscheiden, wann und wo du schläfst, wann du weitergehst oder wann du anhältst, um zu essen und zu trinken. Wenn es um dich herum nichts gibt außer Bäumen, Schnee und Dunkelheit, fühlen sich alle Probleme größer und bedrohlicher an, besonders wenn es kalt ist. Das Wichtigste ist, dass du nicht vergisst, wie weit weg alles ist, und dich nur auf dich und deine Fähigkeiten konzentrierst und wie du die mitgebrachten Hilfsmittel einsetzt. Es gibt zwar andere Menschen, aber wer weiß, wo sie sind oder wann du jemanden wiedersehen wirst.

Die Dunkelheit, nun ja, es sind etwa 14 Stunden dunkel. Eine gute Stirnlampe, eine gute Ersatzlampe und ein guter Vorrat an Batterien sind hilfreich. Vielleicht auch etwas Vitamin D.

Ein Tag beim Yukon Trail

4:00 am: Das ist der Zeitpunkt, an dem ich normalerweise von einem Biwak oder einem CP aufstehe. Oder um 3 Uhr morgens. Ich schlafe gerne zwischen 11/12 und 3 Uhr.

4:30 am: Ich halte an und räume meine Sachen um. Wenn ich nach dem Biwak packe und mich aufwärme, wird es unordentlicher, als mir lieb ist, also nehme ich ein Getränk und einen Snack zu mir, während ich packe.

5:00 am: Normalerweise rechne ich immer wieder nach, in wieviel Stunden der Sonnenaufgang ist. Ich trinke außerdem Instant-Kaffee und fühle mich normalerweise großartig und energiegeladen, weil ich einen ganzen Tag vor mir habe - ich freue mich auf das Tageslicht.

9:00 am: Normalerweise ist es ein paar Stunden vor Sonnenaufgang kälter, also werde ich mich vielleicht dick einpacken und ein bisschen in Panik geraten, weil mir so kalt ist - vielleicht helfen ein paar Handwärmepads?

10:00 am: Sonnenaufgang und ein anständiger Snack, beim ersten Sonnenfleck. Normalerweise frage ich mich, ob nicht bald ein Schneemobil vorbeikommt.

1:00 pm: Ich rechne noch einmal aus, wie viele Stunden Tageslicht mir noch bleiben, und plane eine Pause vor Einbruch der Dunkelheit, um Wasser zu schmelzen und eine warme gefriergetrocknete Mahlzeit zu essen. Ich rechne noch einmal nach, um herauszufinden, wann ich hoffentlich an einem Kontrollpunkt ankomme, oder ich plane eine Zeit und einen Ort, für den nächsten Stop.

3.00 pm: Fühle mich hoffentlich gut und bewundere die Landschaft.

5:00 pm: Ich halte an, um Wasser zu kochen, meine Thermoskannen aufzufüllen und etwas Warmes zu essen. Vielleicht wechsle ich die Kleidung, setze meine Stirnlampe auf und bereite mich für die Nacht vor.

6:00 pm: Mit der Zeit wird es dunkel. Ich bereite mich mental auf eine lange Nacht vor.

10-12pm: Wenn ich Glück habe, bin ich beim Checkpoint, wenn nicht suche ich einen Schlafplatz irgendwo, um zu schlafen und mich auszuruhen zwischen 12-3 am.

 

Lektionen die ich beim Lauf gelernt habe

Ich habe gelernt, Hilfe und Unterstützung von anderen anzunehmen. Ich habe gelernt, mir selbst zu vertrauen und zu erkennen, dass Fehler dazugehören und dass ich sie bewältigen kann. Ich habe gelernt, dass ich weinen und einen Zusammenbruch erleiden kann, ohne den Mut zu verlieren. Ich habe gelernt, wie viel Spaß es mir macht, andere zu unterrichten. Das hätte ich überhaupt nicht erwartet, wenn du mich 2015 gefragt hättest, wohin das führen soll. Ich habe gelernt, wie entschlossen (und stur...) ich bin und dass ich unbedingt zu Ende bringen will, was ich angefangen habe.

Ich hoffe, dass ich den größten Teil des Wettkampfs fahren kann, ich würde gerne mehr fahren als schieben und ich möchte zumindest, dass die Strecke von den Black Hills nach Indian Creek gut und fest ist - der Downhill ist lang! Außerdem kann ich es kaum erwarten, die letzten 30 km nach Dawson City zu fahren. Ich habe diesen Winter auf dieser Straße trainiert und davon geträumt. Wenn ich es schaffe, wird dies die letzte Disziplin sein, die ich absolvieren muss, damit ich alle drei geschafft habe - das ist das erste Mal, dass eine Frau beim MYAU das schafft! Wünscht mir Glück!

Fühlst Du Dich inspiriert?

In unserem MYAU-Event-Hub findest du alle aktuellen Informationen zum Rennen. Wir wünschen Jessie viel Glück bei ihrem Versuch, die 430 Meilen lange Strecke in diesem Jahr mit dem Bike zu bewältigen. Weitere spannende Einblicke über den Montane Yukon Arctic Ultra findest du in unserem Blog.