Blog

Erstbegehung in der Eiger NW Wand / Rotstock

Die Eiger Nordwand ist spätestens seit der Erstdurchsteigung durch Anderl Heckmair, Heinrich Harrer, Ludwig Vörg und Fritz Kasparek im Jahr 1938 weltbekannt. Weit weniger bekannt ist, dass ganz im rechten Wandbereich -des sogenannten Rotstocks- in den letzten Jahren eine Reihe von reinen Felsrouten entstanden ist. Im Banne der Eiger Nordwand klettert man hier in abdrängend steilem-, für Eiger Verhältnisse aber grösstenteils kompakten Kalk, durchzogen von einzelnen Passagen mit brüchigen, teils heiklen Querbändern. Typisch Eiger halt.

Nach 2 tägigen Vorarbeiten durch Daniela und Robert Jasper konnte der Spitzenalpinist Robert Jasper, begleitet durch den Bergführer und Montane Athlet Jörn Heller dem eine weitere neue Route hinzufügen und alle Seillängen rotpunkt klettern. Die «Nordwestpassage» erstreckt sich über 10 Seillängen und checkt bei 6b+/6c ein. Der scheinbar moderate Schwierigkeitsgrad sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Route über weite Strecken selber abgesichert werden muss. Potenzielle Wiederholer sollten schon deutlich über den Dingen stehen, da die Absicherung anspruchsvoll ist und weite und gefährliche Flüge drohen. Alle Stände sind mit 2 rostfreien Bohrhaken komplett ( zum abseilen ) ausgestattet. Erfahrung im Umgang mit Friends und Keilen wird dringend empfohlen.

Jörn Heller berichtet: Am Morgen des 2ten September war es empfindlich kalt und wir konnten die kleinen Leisten und Tritte fast nicht spüren. Insgesamt verbrachten wir 8 Stunden in diesem Kühlschrank bis wir endlich den Ausstieg und die wärmenden Sonnenstrahlen erreichten. Aufgrund der Kälte bildete sich jede Menge Kondensationsfeuchtigkeit zwischen unseren steifen Fingern und den Leisten, was die Durchsteigung nicht gerade vereinfachte. «Es ist schon irgendwo lustig: Du siehst den Griff an dem du dich hältst aber du spürst absolut nichts».  Ich bin heilfroh, dass Nordwandspezialist Robert Jasper das so souverän gemeistert hat. Kaum auf dem Gipfel angekommen hatten wir es auch schon wieder eilig. Die Schweizer Bahn fährt bekannterweise pünktlich und die letzte Bahn nach Grindelwald wartet nicht. Über passagenweise heikle und abschüssige Bänder ( teilweise ist altes Fixmaterial vorhanden ) traversieren wir so schnell wir können in den unteren Bereich der Eiger Westflanke und von dort in gut 30 Minuten zur Station Eismeer der Jungfraubahnen.

Was mich auch nach fast 40 Jahren Klettern und Bergsteigen reizt und antreibt: Jede Tour mit Robert ist wie eine «Expedition». Im wahrsten Sinne des Wortes ein «Aufbruch ins Unbekannte, Neuland betreten». Es ist dieser schmale Grat zwischen Wagnis und Risiko, zwischen Erfolg und dem Risiko des Scheiterns der mich immer wieder aufs Neue aufbrechen lässt und mich neugierig bleiben lässt. Robert und ich haben Jahre in Wänden und in Eishöhlen miteinander verbracht und ich freue mich schon auf das nächste gemeinsame Bergabenteuer….

Facts:

  • Eiger NW_Wand / Rotstock: Nordwestpassage 6b+/6c
  • Erstbegehung: Daniela + Robert Jasper, Jörn Heller, 02.09.2021
  • Länge: 10 Seillängen, ca 400 m.
  • Absicherung: Ernsthaft, wenige Bohr- und Schlaghaken. Alle Stände sind mit 2 rostfreien Bohrhaken eingerichtet.
  • Zustieg: In cirka 45 Minuten zum Einstieg des Rotstock Klettersteigs und diesem bis auf ein erstes markantes Band folgen. Auf diesem ca 200 m in teils exponiertem Gelände nach links Richtung Genferpfeiler zum mit einer Sanduhrschlinge markierten Einstieg.
  • Abstieg: Abseilen über die Route ist möglich es wird aber empfohlen, via Westflanke zur Station Eismeer der Jungfraubahnen abzusteigen. Hierzu 20 m auf ein Band abseilen und diesem, teils exponiert und teilweise mit altem Fixmaterial versehen ca 15 Minuten zum Eigertrail in der Westflanke folgen. Über diesen in ca 45 Minuten zur Station Eismeer.