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Athleten Q&A: Klettern an der grönländischen Mirror Wall

Der #TeamMontane-Kletterer Franco Cookson ist Anfang des Jahres von Großbritannien nach Grönland aufgebrochen. Seine Mission? Seine erste Big Wall in einer einmaligen Umgebung zu klettern...

Photo: Ben Ditto

Nachdem der berühmte Kletterer Leo Houlding 2015 die Erstbegehung der Westwand der Mirror Wall geschafft hatte, beschrieb er die Wand als "arktischen El Cap". Die gewaltige Wandhöhe und die extreme Steilheit ähneln zweifellos der legendären Felsenlandschaft im Yosemite, aber die abgeschiedene Lage im arktischen Grönland macht sie zu einer richtigen  Herausforderung.

Vor einigen Jahren hatte Kletterer Franco Cookson vom #TeamMontane den Impuls, an einer Expedition in dieser Region teilzunehmen. Die Mission umfasste nicht nur die noch nicht komplett durchstiegene Mirror Wall, sondern auch eine Reise auf dem Seeweg nach Grönland. Wir haben uns mit Franco unterhalten, um herauszufinden, wie es gelaufen ist.

 

Was war die Herausforderung an dieser Big Wall für Dich?

Ziel der Reise war es, die Mitte der grönländischen Mirror Wall zu klettern. Dieses Massiv aus Granit befindet sich in einem abgelegenen Teil Ostgrönlands, 71 Grad nördlich, und ist etwa 1200 m hoch. Einige wenige andere Kletterer haben dieses Tal bereits erkundet, darunter Leo Holding, aber noch niemand hat es geschafft, diesen zentralen Teil der Wand zu klettern. Wenn Kletterer versuchen, neue Routen an einer großen Wand wie dieser zu klettern, benutzen sie normalerweise Fotos oder ein Fernglas und versuchen, dunkle Linien zu finden. Diese bedeuten in der Regel, dass es Risssysteme gibt, die Halt, aber vor allem auch Möglichkeiten zur Absicherung bieten. Das Auffällige in der mittleren Mirrow Wall ist, dass es bis etwa zwei Drittel des Weges nach oben keines dieser Risssysteme gibt.

Es war vielleicht verrückt, sich ein Ziel vorzunehmen, das so offensichtlich schwer und schlecht abzusichern war, aber ich glaube, das ganze Team wollte die Grenzen des Machbaren auf einer so abgelegenen Tour wie dieser verschieben.  Es war eine große Ehre, von Sean und Nico eingeladen zu werden, denn sie gehören zu den erfolgreichsten Expeditions-Bigwallkletterern aller Zeiten. Es war klar, dass sie auf ihre langjährige Erfahrung zurückgreifen und etwas wirklich Neues wagen wollten. Was mich an der Wand wirklich begeisterte, war das Potenzial für schweres Freiklettern. In den letzten Jahren habe ich mich stark auf das Klettern in der Vertikalen und an Platten konzentriert und es war der Traum, einige sehr schwere Seillängen an einem Ort zu klettern, zu dem man normalerweise nicht so einfach hinkommt.

Für mich war die Reise so viel mehr als nur Klettern! Soweit bekannt, ist noch nie jemand in diesem Tal in Grönland geklettert. Damit du eine Vorstellung davon bekommst, was für eine unglaubliche Herausforderung das war... Wir brauchten von Schottland aus mehr als 50 Tage, um mit unserer gesamten Ausrüstung das fortgeschrittene Basislager zu erreichen. Andere Expeditionen wurden an diesem Punkt mit dem Hubschrauber abgesetzt, und wir mussten etwa 20 Meilen vom Schiff aus das schlimmste Terrain des Tales durchqueren, das man sich vorstellen kann. 

Ich wusste, dass es anstrengend sein würde, dorthin zu gelangen. Ich war auch noch nie zuvor gesegelt und fand diesen Aspekt der Reise sehr fordernd. Wir hatten ziemlich gutes Wetter, aber trotzdem viel Seegang, starken Regen, hohe Wellen und extrem niedrige Temperaturen. Ich war überrascht, wie kalt es auf dem Meer war. Man kann an Land in Shorts und T-Shirt unterwegs sein, aber fünf Meilen von der Küste entfernt wird man von einem kühlen Wind überrascht und muss sich dick einpacken. Das Meer in Island ist auch im Vergleich zu Schottland sehr kalt.

Ostgrönland ist die nächste Stufe, denn der Wind pfeift von der Polarkappe. Auf dem Rückweg, als wir uns der Nordküste Islands näherten, wurde es merklich wärmer. Da das Wetter größtenteils trocken war, konnte ich die meiste Zeit ohne wasserdichte Kleidung auskommen. Ich trug die Montane Respond Trousers, die Wind und Kälte abhielten und selbst bei Feuchtigkeit auf dem Boot warm war. 

Wenn es regnete, dann richtig stark. Und selbst wenn es nicht regnete, war der Wind heftig oder wir segelten so stark am Wind, dass die Gischt (oder die Wellen) über das Cockpit spritzte (und einmal sogar in mein Gesicht, als ich unten schlief...). Unter diesen Bedingungen war die wasserdichte Duality-Jacke meine erste Wahl, denn ich brauchte etwas, dass mich trocken und warm zugleich hielt.

Warum war das Segeln dort so eine wichtiger Teil der Erfahrung? 

Als ich mit dem Klettern begann, hörte ich Geschichten von Sean und Nico, die mit Hilfe des Seglers Bob Shepton hohe Wände vom Boot aus erschlossen. Ich glaube, das hat die Fantasie vieler Leute in meinem Alter angeregt, also konnte ich nicht nein sagen. Ich wusste, dass es schwer sein würde, ja dass es richtig schwer sein würde. Da war zum einen die kognitive Herausforderung, Segeln zu lernen. Dann gab es die körperliche Herausforderung, die Kälte zu ertragen (wir hatten zum Beispiel keine Heizung auf dem Boot), den Schlafentzug, vielleicht den Mangel an Nahrung und dann den Zustieg zur Wand. Ich nehme an, ich wollte sehen, wie die Experten vorgehen, jetzt, wo sie auf dem Höhepunkt ihres Könnens sind, und ob ich mithalten kann. 

Mich hat das Meer schon immer fasziniert. Ich bin in Whitby zur Schule gegangen, also war das Meer schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Auch wenn ich noch nie gesegelt bin, habe ich Boote schon immer geliebt - ihre Ästhetik, die Romantik einer kleinen Kapsel, die den offenen Ozean meistert ... Diese Reise ermöglichte mir, etwas zu erleben, was ich schon immer tun wollte, und eine einzigartige Crew kennenzulernen. 

Das Fantastische am Segeln ist, dass es Abenteuer neu definiert. Es fühlt sich nicht künstlich an, ein Ziel mit dem Boot anzusteuern, es fühlt sich sehr natürlich an und es ist eine Herausforderung wie keine andere. Ich glaube also, dass diese Art von Abenteuer eine echte Zukunft hat.

Wie sieht so ein typischer Tag beim Segeln aus?

Beim Hochseesegeln sitzt man viel herum. Wenn der Wind konstant bleibt, kann es sein, dass du die Segel einen ganzen Tag oder länger nicht berührst. Es ist wichtig, nach anderen Schiffen Ausschau zu halten, deshalb hatten wir Nachtwachen. Meine Wache war von 1 bis 3 Uhr morgens, für meine innere Uhr eine Katastrophe - aber sie brachte mir auch magische Momente, wenn die Sonne halb unterging, Wale oder eines der anderen Naturwunder des Nordatlantiks auftauchten. Durch Skipper Mike wurde der Trip für mich zum Erlebnis, er brachte mir so viel bei und ließ mich viel machen. 

Ich fand das Leben an Bord hart und die Seekrankheit ist übel, aber es war toll, einen Einblick in diese Welt zu bekommen. Mike war gerade dabei, sein Boot zu renovieren, also fehlten ein paar Annehmlichkeiten (und je weniger über die explodierende Toilette gesagt wird, desto besser!), was zu einem sehr einfachen Leben auf See führte, das manchmal unkomfortabel und manchmal auch nur schön war. 

Sobald wir das Eis erreichten, kam Cornelia (das Boot) erst richtig zur Geltung und wir merkten, dass sie sehr solide gebaut war. Unter Deck gab es gutes Essen, Musik und wir hatten einfach richtig viel Spaß miteinander

Gab es besondere Herausforderungen auf dieser Reise?

Auf jeden Fall. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie anstrengend der Zustieg auf dieser Tour war. Wir mussten etwa 400 Kilogramm Ausrüstung über zwanzig Meilen transportieren. Das klingt vielleicht nicht so schlimm, aber das Gelände war eine Mischung aus zerklüfteten Gletschern, eiskalten Flussdurchquerungen, der schlimmsten Moräne, die man sich vorstellen kann, und... Wüste (!). 

Nico verletzte sich am ersten Tag ziemlich schwer, als er am Boden einer riesigen Gletscherspalte auf dem Eis ausrutschte und einen sehr scharfen Stein erwischte. Er zog sich eine große Schnittwunde bis zum Knochen am Schienbein zu, wodurch wir uns alle sofort sehr bedroht fühlten. Der nächste Hubschrauber ist in Island, Hunderte von Meilen entfernt. Für eine Rettung muss ein Hubschrauber einen Teil des Weges fliegen und Treibstoff lagern, bevor ein zweiter Hubschrauber kommt, einen abholt und auf dem Rückweg auftankt. 

Es gibt keine komplexen Rettungsaktionen, keine Flugmanöver und auch keine medizinische Hilfe, wenn etwas schiefgeht, also wird man, wenn man Glück hat, einfach nur abgeholt. Zu diesem Zeitpunkt waren wir nur noch zu Fuß unterwegs, so dass Nico zurück humpeln konnte und wir ihn über die drei Flussüberquerungen zurück trugen, aber es zeigte uns, wie allein wir waren, einmal noch weiter einen sehr schweren Gletscher hinauf und dann eine riesige Wand hinauf. 

 

Photo: Ben Ditto

Als Nico nicht mehr dabei war, hatten wir plötzlich viel mehr zu tragen. Ben trug einen Teil der Kletterausrüstung, hatte aber auch seine eigene Kameraausrüstung dabei. Mike trug auch zusätzliches Gepäck hinauf, was uns sehr half, aber das Ergebnis war, dass wir am Ende zu viel zu weit trugen. Einige Tage legten wir Marathonstrecken in unvorstellbarem Gelände zurück und trugen Lasten, mit denen wir kaum vom Boden abheben konnten (für die Hälfte der Strecke). Wir wiederholten es Tag für Tag, zehn Tage lang. Ich war froh, als dieser Teil des Trips vorbei war und keines unserer Knie kaputt gegangen war.

 

Wie ist das Klettern in Grönland und wie unterscheidet es sich von deinen üblichen Touren in Großbritannien?

Ich denke, die Mirror Wall ist ziemlich typisch für Grönland. Sie ist so abgelegen und weit im Norden, dass man sich viele Gedanken machen muss, die man an frequentierten Orten nicht hat. Der Weg vom vorgeschobenen Basislager zur Wand ist ein sehr schwieriger Gletscher mit einstürzenden Schneebrücken und versteckten Gletscherspalten. 

Natürlich gibt es in einer so großen Wand auch loses Gestein und wir hatten ständig Angst, getroffen zu werden. Nicos Helm wurde von einem Stein zertrümmert und Sean wurde von einem anderen Stein sehr hart getroffen. Dabei hatten sie wirklich Glück. Wir wurden auch Zeuge einer riesigen Lawine, die den gesamten Talboden des Tals, in dem wir kletterten, ausfüllte und Trümmer uns erreichten, obwohl wir 300 m oder mehr über dem Talboden waren. Diese Seracs-Abbrüche waren erschreckend. Es ist wirklich eine Welt entfernt von Europa, was die Gefahren angeht. 

Das Tolle am Sommer in Grönland ist, dass die Bedingungen für schweres Klettern wirklich gut sind. Es ist kühl, das Wetter ist stabil und die Luftfeuchtigkeit ist niedrig, sodass man in den Sommermonaten optimal klettern kann. Der Fels ist sehr abwechslungsreich und reicht von totalem Geröll bis hin zu richtig schönem, kompaktem Granit, der dem Granit in Schottland oder Cornwall gar nicht so unähnlich ist. 

 

Hast du alles erreicht, was du dir vorgenommen hast?

Das ist eine gute Frage! Aus der Sicht eines Beobachters sind wir gescheitert. Wir haben den Gipfel unseres Ziels nicht erreicht, obwohl wir Hilfsmittel und einige Haken eingesetzt haben. Wir sind oft gestürzt und einige Stürze von Sean waren ziemlich heftig. Sean machte eine unglaubliche Mischung aus schwerer technischer Kletterei, manchmal acht oder neun Stunden am Tag, und benutzte dabei sehr gefährliche Sky Hooks, Copperheads und Micro wires, bevor er einen Bolt von Hand setzte, was allein schon 45 Minuten oder so dauerte. 

Das war eine wirklich beängstigende und körperlich anstrengende Arbeit, bevor er seine Kletterschuhe anziehen konnte und weit über seinen Sicherung schwere Moves ausführte. Manchmal befand er sich zehn oder fünfzehn Meter über seiner letzten Sicherung, was bedeutete, dass ihm ein Sturz von 100 Fuß drohte, wenn er eine falsche Bewegung ausführte. Natürlich kletterten wir auch onsight, also wusste er nicht, was ihn dort oben erwartete, wie schwer die Kletterei sein würde oder ob er überhaupt eine Stelle zum Sichern finden würde. Es war eine der beeindruckendsten Klettereien, die ich je erlebt habe.

 

Photo: Ben Ditto

Also nein, wir haben die Route nicht geklettert. Das klingt jetzt vielleicht wie eine Ausrede, aber bei meinen Zielen ging es immer in erster Linie um Erfahrung. Ich war noch nie in einer Big Wall oder an einem so abgelegenen Ort gewesen. Ich habe darüber gesprochen, was ich mir vom Segeln erhofft habe, aber diese Reise war auch ein Erfolg beim Klettern. Wir kletterten nur etwa 40 Meter pro Tag, sodass der Rest des Teams genug Zeit hatte, einige Abschnitte der Wand frei zu klettern. Ich hatte zu Beginn der Reise gescherzt, dass ich eine harte Platte im Schwierigkeitsgrad F8b finden wollte, um sie zu begehen. Wie durch ein Wunder erwies sich fast der gesamte untere Teil der Route als schwierige und gewagte Platten.

Sean und ich hatten versucht, diesen besonders schwierigen Abschnitt frei zu klettern, waren aber gescheitert. Nachdem Sean ein paar winzige Haken angebracht hatte, um diesen Punkt zu überwinden, verbrachte ich zwei Tage damit, dieses kleine Stück der Wand zu klettern. Das war eine wichtige Aufgabe für mich: Auch wenn wir nicht die ganze Wand klettern würden, wollte ich beweisen, dass einer der schwierigsten Teile der Wand nur mit Händen und Füßen geklettert werden kann, ohne Haken oder andere Tricks. Es stellte sich heraus, dass es noch schwieriger war, als ich anfangs gescherzt hatte und ich fragte mich, ob ich es schaffen würde. 

An dem Tag, an dem ich versuchte, die Länge zu gehen, kam ein leichter Wind auf und es reichte aus, damit es richtig kalt wurde. Diese kalten Bedingungen halfen meinen Schuhen, auf den winzigen Kanten steif zu bleiben, aber ich stürzte trotzdem. Ich versuchte es erneut, stürzte aber erneut. Bei meinem dritten Versuch schaffte ich eine ungewöhnliche Kombination aus hohen Tritten, Daumenklemmen und verzweifeltem Untergriffen und spürte dann den Druck der Situation: wenn ich jetzt falle, ist das mein letzter Versuch, der letzte Tag und ich komme nie wieder hierher zurück. Ich glaube, dieser Erfolgsdruck ließ mich noch fester zupacken und ich habe es gerade noch so geschafft, einen Weg zu finden. Es war mit Sicherheit eine der schwierigsten Touren, die ich außerhalb von Nordwales geklettert bin, und das an diesem Ort zu schaffen, fühlt sich wie ein großer Erfolg an.

 

Hast du auf dieser Reise etwas über dich selbst gelernt?

Ich habe mich immer gefragt, wie so eine Reise sein würde, und deshalb war sie von unschätzbarem Wert. Jetzt, wo wir zurück sind, habe ich das Gefühl, dass wir dort noch etwas zu erledigen haben. Ich wäre fast geneigt, erneut zurückzukehren, aber dann erinnere ich mich daran, wie viel Angst ich hatte - das Meer, die Eisbären, die Steinschläge... Ich möchte auf jeden Fall mehr Big Walls klettern, aber ich würde mir wahrscheinlich ein Ziel mit schwererer Kletterei und vielleicht nicht so einem verrückten Zugang aussuchen. Mein Kletterstil eignet sich sehr gut zum Mehrseillängenklettern, das wird mir eine ganz neue Welt eröffnen wird.

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